Der folgende Artikel wurde aus dem englischen Original übersetzt und von der Psychiaterin Dr. Kelly Brogan geschrieben.
Er ist ein Ausschnitt aus dem Buch „Die Wahrheit über weibliche Depression: Warum sie nicht im Kopf entsteht und ohne Medikamente heilbar ist ".
Kritische Worte
Dir wurde gesagt, dass du krank bist und dass du dein Leben lang Medikamente nehmen solltest. Während du in Behandlung warst, hast du dich wie eine betäubte Version von dir selbst gefühlt. Eine verkehrte und eintönige Version von dir selbst. Aber du hast dir Mühe gegeben, dich an diesen neuen „Normalzustand“ zu gewöhnen.
Vielleicht hast du einen Teufelskreis an Medikamentenumstellungen hinter dir, weil dein Psychiater immer wieder gesagt hat: „Es liegt an der Dosis“ oder „Wenn wir noch ein Medikament hinzufügen, geht es Ihnen bestimmt besser“. Wahrscheinlich kennst du den Horror der Medikamentenabhängigkeit, von dem bisher noch viel zu wenig gesprochen wird.
Die Gemeinschaft von Mad in America macht mir viel Hoffnung. Hoffnung, dass wir gemeinsam zu mehr Erkenntnis führen und einander helfen können, zu heilen. Und die Wahrheit ans Licht zu bringen, sodass sie allen zugänglich gemacht werden kann.
Diese Hoffnung überbringe ich meinen Patienten jeden Tag. Weil ich an die Resilienz (Widerstandskraft) des menschlichen Körpers glaube. Und ich denke, dass psychische Erkrankungen ein Symptom für all unsere natürlichen menschlichen Bedürfnissen sind, die nicht erfüllt werden – damit meine ich den Zusammenhang zwischen unserem Körper und der heutigen Umwelt.
Zuerst möchte ich dir aber sagen, dass ich früher auch eine „typische Ärztin“ war sowie eine typische Amerikanerin: Mit Vorliebe für Pizza, Limonade, die Verhütungspille und Ibuprofen.
Ich glaubte an die Wissenschaft, von der ich gelernt hatte.
Ich war fest davon überzeugt, dass Medikamente die Lösung sind.
Und dass Symptome Probleme waren, die man beseitigen, unterdrücken oder auslöschen muss.
Dass jeder Patient nur ein Medikament bräuchte, um wieder „normal“ funktionieren zu können.
Erst bei der Arbeit mit schwangeren und stillenden Frauen (zu einer Zeit, als ich selbst schwanger war) merkte ich eine Intuition beziehungsweise Stimme in mir, die sagte: „Ich verschreibe hier Medikamente, die ich selbst niemals nehmen würde – unabhängig davon, wie viele Belege es gab, dass diese sicher sind“.
Ich habe diese Stimme lange Zeit ignoriert, bis ich mich entschied, einen anderen Weg einzuschlagen.
Der Wendepunkt für mich als Ärztin
Ich heilte von meiner postpartalen Depression und zwar mit Hilfe der sogenannten Lebensstil-Medizin.
Erst zu diesem Zeitpunkt war ich bereit, meine Augen für die Arbeit von Robert Whitaker zu öffnen.
Ein Freund schenkte mir das Buch „Anatomy of an Epidemic“ und ich erinnere mich noch, dass ich in der U-Bahn weinte, als ich bei der letzten Seite angelangt war. An diesem Tag fiel für mich das ganze Kartenhaus in sich zusammen.
Seitdem habe ich nie wieder einem Patienten Psychopharmaka verschrieben.
Ich verbrachte zwei Jahre damit, Patienten beim Ausschleichen der Medikamente zu unterstützen und erlebte hautnah den abhängig-machenden Charakter dieser Medikamente.
Ich realisierte, dass ich zuerst die Resilienz meiner Patienten stärken musste, bevor ich mit dem Ausschleichen der Dosis beginnen konnte – daraus entwickelte sich später mein Programm, welches auf Ernährung basiert und die Ursachen von Symptomen aufdeckt.
Ich wollte das Ungleichgewicht heilen, welches oft körperlich bedingt war und zu Medikamentengebrauch führte.
Meine Überzeugung stammt aus meiner persönlichen Geschichte sowie tausenden Stunden der Forschung, die es mir abverlangen, die Wahrheit über das verschreibungsmotivierte Gesundheitssystem zu sagen: Wir wurden in einem großen Ausmaß belogen.
Wenn ich Vorträge über Medizin und psychische Gesundheit vor einem großen Publikum halte, beginne ich oft mit folgender Übung:
Denken Sie an eine Frau, die Sie kennen, die strahlend gesund ist. Ich bin mir sicher, Ihre Intuition sagt Ihnen, dass diese Frau genügend schläft und sich gesund ernährt, einen Sinn in ihrem Leben hat, sozial aktiv und fit ist sowie Zeit zum Entspannen findet.
Ich denke nicht, dass Sie sie mit der Vorstellung verbinden, wie sie aufwacht und Medikamente einnimmt, ihren Tag mit Koffein und Zucker übersteht, sich isoliert und ängstlich fühlt, und Alkohol trinkt, damit sie einschlafen kann.
Alle von uns tragen dieses intuitive Wissen darüber, was Gesundheit ausmacht, in sich.
Aber viele von uns haben den Weg zu einer gesunden Lebensweise vergessen.
Eine von vier Frauen in Amerika nimmt täglich Psychopharmaka, was auf eine nationale Krise hindeutet.
Menschen haben schon immer bewusstseinsveränderte Substanzen ausprobiert, um Schmerz, Trauer und Leid zu verringern, doch erst in den letzten Jahren wurden Menschen davon überzeugt, dass depressive Symptome eine Krankheit sind, die nur durch die chemische Gabe von Antidepressiva gelindert werden kann.
Viele meiner Patienten waren zuvor bei mehreren Ärzten und haben durch die Methoden der konventionellen Medizin keine Besserung erfahren. Manche von ihnen haben auch integrative Medizin probiert, also die Kombination aus traditionellen medizinischen Behandlungsformen und alternativen Herangehensweisen (z.B. Akkupunktur).
Doch niemand fragte sie nach den Ursachen: Wieso geht es Ihnen schlecht? Wieso erzeugt Ihr Körper Symptome einer Depression?
Wieso wurden diese wichtigen Fragen nicht gestellt, als die gedrückte Stimmung, die Angst, Schlaflosigkeit oder chronische Erschöpfung zum ersten Mal auftraten?
Ja, meine ganze Ausbildung basierte auf einem Modell, welches besagt, dass es für Krankheiten nur ein einziges Werkzeug gibt – und zwar Medikamente.
Wir legen unsere Gesundheit in die Hände unserer Behandler und glauben an folgende Aussagen:
▶ Wir sind krank.
▶ Angst ist eine angemessene Reaktion auf Symptome.
▶ Wir brauchen die Unterstützung von Medikamenten, um uns besser zu fühlen.
▶ Ärzte wissen, was sie tun.
▶ Der Körper ist eine Maschine, die eine richtige Einstellung (durch Medikamente) benötigt. Ein bisschen weniger von dem einen, ein bisschen mehr von dem anderen.
Für mich ist das der kollektive Glaube an die Illusion der westlichen Medizin.
Er löst einen Teufelskreis aus, welcher zu Abhängigkeit und Hilflosigkeit führt und uns zu lebenslangen Konsumenten macht.
Hoffnung
Wie dir sicher aufgefallen ist, sehe ich das Ganze sehr kritisch.
Doch ich tue das mit dem besten wissenschaftlichen Hintergrund, denn heutzutage wissen wir bereits viel mehr über die Ursachen einer Depression und wie man diese sicher und erfolgreich behandeln kann – ohne etwas zu verschreiben.
Wenn du eine Sache aus diesem Artikel mitnehmen sollst, dann diese: Verlier die Angst, hör auf deinen inneren Kompass und akzeptiere deinen Weg.
Wenn du momentan ein Medikament nimmst, bin ich mir sicher, dass du daran zweifelst, in Zukunft medikamentenfrei leben zu können und nur auf deine Intuition zu hören. Mein Artikel hört sich vielleicht idyllisch an oder wie gefährliches „Hippie Bla Bla“.
Ich möchte dir aber folgende Möglichkeiten aufzeigen:
▶ Prävention (Vorbeugung von Krankheiten) ist möglich.
▶ Die Behandlung mit Medikamenten ist teuer.
▶ Eine optimale Gesundheit wird nicht durch Medikamente ermöglicht.
▶ Du hast die Kontrolle über deine Gesundheit.
▶ Lebensstiländerungen – tägliche Gewohnheiten, die keine Medikamenteneinnahme beinhalten – sind ein sicherer und effektiver Weg, um dem Körper Signale von Sicherheit zu senden.
In der ganzheitlichen Medizin gibt es keine Spezialisierungen. Sie ist sehr grundlegend.
Es geht um die eigenen Gedanken und die Einstellung, sowie um die Bereitschaft, Angst abzulegen und dem Körper und seiner Heilkraft zu vertrauen. Damit es meinen Patienten gut geht, müssen sie die starke Verbindung zwischen Körper und Psyche verstehen.
Wieso?
Weil wir uns den Körper als ein Spinnweben vorstellen können – wenn sich ein Stück verändert, verändert sich das Ganze. Und weil es eine wichtige Einsicht zur Heilung ist.
Eine Depression kann eine Chance darstellen.
Sie ist ein Zeichen, stehen zu bleiben und herauszufinden, was aus der Balance geraten ist.
Sie ist kein Symptom dafür, dass du kaputt und schwach bist, so geboren wurdest und dein Leben lang mit niedrigem Serotonin zu kämpfen haben wirst – einfache Veränderungen können dem Körper Signale von Sicherheit senden und den Geist frei machen.
Wenn der Körper und alle verbundenen Systeme geheilt sind, verschwinden die Symptome der Depression und die Psyche ist nicht länger unser Feind, sondern eine vertrauenswürdige Quelle für Veränderung.
Einfache Lebensstiländerungen können die körperlichen Selbstheilungskräfte aktivieren und depressive Symptome beenden:
Eine Ernährungsumstellung (mehr gesunde Fette, weniger Zucker, Milchprodukte und Gluten); natürliche Ergänzungsstoffe, wie B-Vitamine und Probiotika; die Vermeidung bestimmter Giftstoffe, wie Fluoride im Leitungswasser oder Chemikalien in Schmerzmitteln oder Kosmetika; die Heilkraft von ausreichendem Schlaf und von körperlicher Bewegung; sowie Verhaltensänderungen, welche eine körperliche Entspannungsreaktion auslösen.
Ich habe erstaunliche Transformationen bei meinen Patienten gesehen und das nach nur einem Monat. Trau dich, einer davon zu sein!
Die Gespräche über psychische Gesundheit müssen sich ändern.
Es geht nicht um Anti-Psychiatrie. Es geht um das aktive Informiert-sein.
Es geht um Pro-Heilung.
All along the history of medicine, the really great physicians were peculiarly free from the bondage of drugs.“ (Sir William Osler)
Über die Autorin:
Kelly Brogan, MD, ABIHM, ist ganzheitliche Psychiaterin, spezialisiert auf Frauenheilkunde, Autorin des Buchs „A Mind of Your Own“ und des Lehrbuchs Integrative Therapie bei Depression. Sie lebt und arbeitet in New York. Nach dem Medizinstudium an der Cornell Universität und einer Spezialisierung in Neurowissenschaft hat sie sich auf Psychiatrie, psychosomatische Medizin und ganzheitliche Gesundheit fokussiert sowie auf einen Ursache-suchenden-Ansatz bei psychischen Symptomen.
Hoffentlich folgen mehr und mehr Fachleute dieser Erkenntnis und diesem natürlichen, heilsamen Ansatz von Frau Brogan!
Sicher ein äußerst wertvolles Buch für jeden Betroffenen und Interessierten!
Liebe Moni, das hoffe ich auch! Und dass es mehr Forschung in diesen Bereichen geben wird. LG
Oh wie toll, du hast es auch gelesen! So ein großartiges Buch! Ich hoffe, dass es bald auch auf deutsch übersetzt wird, damit auch Leute, die er englischen Sprache nicht mächtig sind, auf diese Informationen zurückgreifen können.
Ich freue mich sehr, zufällig über dein Blog gestolpert zu sein. Ich habe selbst gerade ein Blog gestartet, in dem ich über meinen überwundenen Burnout schreibe.
Da ich schon bevor ich das Buch von Kelly Brogan in die Finger bekommen habe, weitgehend auf eine Paleo-Ernährung umgestellt hatte, kann ich auch aus eigener Erfahrung sagen, welchen wichtigen Einfluss die richtige Ernährung auf die Psyche haben kann.
Ich würde mich wahnsinnig freuen, wenn du mal bei mir reinliest.
Mach weiter so!
Liebe Grüße aus Berlin
Liebe Claudia! Danke für deinen Kommentar, schön, dass du das Buch auch kennst – und magst. Ich bin gerade dabei, es fertig zu lesen und möchte anschließend (auf Deutsch) darüber berichten. Ich habe bis jetzt nur einen sehr schnellen Blick auf deinen Blog geworfen, aber er gefällt mir sehr gut, wirkt authentisch und ist sicher eine gute Quelle für andere Betroffene. Nächste Woche schaue ich genauer rein und teile auch gerne einen Artikel auf Facebook, solltest du Interesse an einem Gastbeitrag bei mir haben, kannst du dich auch gerne melden. Mir liegt viel am Vernetzen 🙂 Alles Liebe und bis bald, Moni