Als Kind habe ich immer viel Zeit in der Natur verbringen dürfen. Meine Eltern sind fast jedes Jahr mit mir ans Meer gefahren, es gab viel Zeit in Wäldern oder auf Wiesen, auch Kontakt mit Tieren. Als Teenager ging der Aspekt der Natur ein wenig unter: Natürlich lag man hin und wieder mit Freunden in der Sonne oder ging spazieren, jedoch nicht bewusst, es lag kein spezieller Fokus auf der Natur.
Nun war ich vor einigen Wochen im Wald – und zwar alleine. Ich war spontan aufgebrochen, hatte eine gute Tageszeit erwischt und befand mich vollkommen alleine mitten in einem Wald. Das war ein ganz besonderes Erlebnis.
Je tiefer ich in den Wald hinein ging, desto kühler und frischer wurde die Luft, die Blätter leuchteten in den Sonnenstrahlen, ich hörte nur meine eigenen Schritte auf der Erde und fühlte mich friedlich und glücklich.
Ich musste an eine Bekannte von mir denken, die vor einiger Zeit an einer „Rewild Challenge“ teilgenommen hat. Das ist ein Programm, bei welchem man jeden Tag unterschiedliche Aufgaben gestellt bekommt, im Prinzip geht es aber darum, sich täglich mindestens 30 Minuten in der Natur aufzuhalten.
Seit der Rewilding Challenge ist kaum ein Tag vergangen, an dem ich nicht mindestens eine Stunde in der Natur verbracht habe. Sehr oft allerdings wesentlich mehr. Ich bemerke immer wieder und immer mehr wie gut mir das tut, vor allem wenn ich ganz bewusst darauf achte. Nirgends sonst kann ich so gut abschalten, wie in der freien Natur und jedes Mal bin ich danach voller Energie.
Vor allem der Wald hat eine ganz eigene wunderbare Auswirkung auf mich, ich fühle mich sofort ruhiger, sicherer und mit mir und der Natur verbunden. Es ist einfach ein wunderbares Gefühl im Wald zu stehen und ganz tief durchzuatmen.
Insgesamt hatte diese Challenge positive Auswirkungen auf Körper, Geist und Seele, das Wichtigste aber ist, dass mir dadurch der Aufenthalt in der Natur wieder zur täglichen Gewohnheit geworden ist.“ (Sonja)
Die meisten von uns wissen von klein auf, dass sich Zeit draußen gut anfühlt. Kleine Spaziergänge werden körperlich Kranken empfohlen, genauso wie achtsame Gehmeditation bei Depressionen oder Burnout.
Heute möchte ich euch vorstellen, wie Natur und Psyche zusammenhängen.
forest bathing – Die Waldmedizin
Der Begriff forest bathing wurde von Wissenschaftlern aus Japan geprägt. Diese untersuchen die gesundheitlichen Auswirkungen von Shinrin-yoku, dem „Waldbaden“, auf den Menschen (seit 2012 gibt es an japanischen Universitäten einen eigenen Forschungszweig zu diesem Thema). Inzwischen gibt es sowohl in Japan, als auch in Amerika 50 spezielle Waldtherapie-Zentren mit ausgebildeten Waldtherapeuten und zertifizierten Pfadführern.
Spitalpatienten, die auf ein Wäldchen blicken brauchen weniger Schmerzmittel und können früher nach Hause. Häftlinge mit Sicht ins Grüne haben seltener Kopfweh. Mädchen sind umso besser in der Schule, je mehr Grün sie von ihrem Fenster aus sehen.“ (Zitat: Eintauchen ins Grün)
Natur und Psyche: Einfluss der Natur auf die psychische Gesundheit
Der Umweltimmunologe Qing Li hat in zahlreichen Studien bestätigt, dass die verbrachte Zeit im Grünen Depressionen lindern und Ängste senken kann.
Waldspaziergänge sollen außerdem die Stimmung heben und bei der Genesung von Krankheiten helfen (Spiegel-Online: Warum Waldspaziergänge so gesund sind).
Eine Untersuchung in London belegte sogar, dass Personen, die in einer grünen Umgebung wohnen (in der Nähe von Parks und vielen Bäumen), weniger Antidepressiva konsumieren/ verschrieben bekommen.
Auf körperlicher Seite senkt ein Aufenthalt im Wald den Blutdruck, den Puls, den Cortisolspiegel (Cortisol ist ein Stresshormon) und die Ausschüttung von Adrenalin.
Die Pflanzen im Wald setzen sogenannte Phytonzide frei, also antibiotisch wirkende Abwehrstoffe, welche die natürlichen Killerzellen des Menschen stärken. Dies hat einen positiven Effekt auf das Immunsystem und die körperlichen Abwehrkräfte.
Nach einem Tag im Wald steigt die Anzahl dieser Zellen im Blut um 40%, der Effekt hält eine Woche lang an. Nach zwei Tagen in der Natur steigt die Anzahl der Abwehrzellen auf 50% und die positive Wirkung ist bis zu einen Monat lang nachweisbar. Das Immunsystem ist in dieser Zeit verstärkt in der Lage, sich gegen Viren, Bakterien und Krebszellen zu wehren. Und der Geist erholt sich.
Um die Heilkräfte des Waldes optimal zu nutzen, empfiehlt Professor Qing Li:
- Man sollte mindestens 2 Stunden im Wald bleiben und dabei eine Strecke von ca. 2,5 km zurücklegen.
- Man sollte sich nicht anstrengen und eine Pause machen, wenn man müde wird.
- Man sollte sich einen Platz suchen, der einem angenehm ist und an dem man sich wohlfühlt und dort eine Zeit lang verweilen. Lesen, meditieren oder einfach entspannen.
- Wenn man die Anzahl und Aktivität der Killerzellen, sowie der Anti-Krebs-Proteine dauerhaft hoch halten möchte, sollte man jeden Monat 2-3 Tage im Wald oder einem sehr waldreichen Gebiet verbringen. 4 Stunden täglich sollte man sich dann direkt im Wald aufhalten.“
(Zitat: Waldmedizin – Die Heilkräfte des Waldes)
Die Forscher sind sich einig, dass bereits die Sinneswahrnehmung der natürlichen Umgebung, also die grünen Farben, die Gerüche und Geräusche der Seele und dem Körper gut tun.
Meiner Meinung nach hat dieses Wissen ein enormes Potential, denn jeder von uns kann es schaffen, täglich für 30 Minuten hinaus zu gehen.
Ob zusammen oder alleine, ob in den Wald oder in den Park nebenan, ob man geht oder nur auf einer Parkbank sitzt. Und selbst wenn man das Gefühl hat, keine Zeit zu haben, ist es möglich, eine halbe Stunde früher aufzustehen oder die Mittagspause in einer grünen Umgebung draußen zu verbringen. Wenn man wenig Energie hat oder ängstlich ist, genügen auch kleine Schritte und ein Sitzplatz in schöner grüner Umgebung: Selbst wenn es anfangs nur der eigene Garten ist.
Es ist also etwas, was jeder von uns mit ein wenig Kreativität umsetzen kann.
Sollte jemand von euch ein Experiment machen wollen und einen Monat lang täglich eine halbe Stunde draußen verbringen, freue ich mich über Erfahrungsberichte.
Wie fühlt ihr euch, wenn ihr einige Zeit in der Natur verbracht habt?
Ich finde den Beitrag wirklich sehr interessant, denn ich habe mich immer gefragt, warum ich mich soooo wohl im Wald fühle und es mir immer direkt viel, viel besser geht, sobald ich einen Wald betrete. 🙂
Liebe Grüße, Feli
Danke Feli, freu mich, dass er dir gefällt 🙂 Lg Moni
Ich habe 5 Jahre in Westafrika im tropischen Regenwald gelebt und gearbeitet. Konnte danach nicht mehr in der Stadt leben. Wohne jetzt am Waldrand ein einem Naturschutzgebiet und bin täglich draussen und habe Ausblick auf den Wald. Anders ginge gar nicht mehr. Arbeite in der Stadt und verlasse diese abends fluchtartig um wieder in meinen Wald zu kommen. Im Wald habe ich auch schon Freunde gefunden, Bäume die mit mir kommunizieren. Zum Teil nehme ich ihre Sprache war und sie haben viel zu erzählen.
Hi Tino,
Danke für deine Erfahrungen!
Ich bin persönlich ein großer Afrika-Fan – gerade aufgrund der unberührten Natur. Bisher habe ich jedoch „nur“ Südafrika gesehen.
Ich finde es schön, dass du die Möglichkeit hast, so naturnah zu wohnen, viele haben sie ja leider nicht.
Das Buch „Der Biophilia Effekt“ von Clemens Arvay könnte dir gefallen. Kennst du es schon? Ich werde demnächst am Blog etwas darüber schreiben!
Lg, Moni