Ein protrahiertes Entzugssyndrom bezeichnet einen sehr lange (Monate oder Jahre) dauernden Zustand nach dem Absetzen von Psychopharmaka, bei welchem zahlreiche körperliche und psychische Beschwerden auftreten.
Mehr dazu hier:
– Protrahiertes Absetzsyndrom: Die zwei Phasen
– Psychopharmaka Absetzsyndrom
Dieser Zustand tritt nicht bei jeder Person auf. Leider kann man im Vorhinein nicht vorhersagen, wer davon betroffen sein wird und wer nicht.
Ich hoffe, dass diese Faktoren zukünftig erforscht werden, um diesem Problem vorbeugen zu können.
Für Personen im protrahierten Entzug
Übersetzt von Bloom in Wellness (alle Informationen zu dieser englischsprachigen Seite findet ihr hier: Alternativen zu Psychopharmaka: Informative Internetseiten).
Wenn deine Symptome sehr lange andauern, kann es herausfordernd sein, die Hoffnung nicht aufzugeben. Aber unabhängig davon, wie lange der Prozess dauert, findet das Gehirn mit jedem Tag, der vergeht, zu seinem Gleichgewicht zurück und die Rezeptoren werden wieder aufgebaut.
Die Zeit wird kommen, in der du langsam Verbesserungen merken wirst. Auf einer mit dem freien Auge nicht sichtbaren Ebene heilt dein Körper gerade jetzt, in diesem Moment.
Mit jedem Tag, der vergeht, kommst du dem Ende des „Absetzsyndroms“ näher und somit auch einen Schritt näher zum nächsten Abschnitt deines Lebens – einem neuen und besseren Kapitel.
Affirmation:
Ich lasse los.
Ich akzeptiere, dass ich keine Kontrolle über diesen Zustand habe und geduldig sein muss. Es ist frustrierend und langwierig, doch ich weiß, dass diese Herausforderung mich stärker, klüger und einfühlsamer machen wird.
Ich vertraue auf die Zeit, ich werde das überwinden.
Während ich warte, achte ich gut auf mich. Ich nähre meinen Körper und bin in meinen Gedanken und Handlungen sanft zu mir.
Ich werde durchhalten.
Wenn ich stolpere und falle, werde ich aufstehen.
Wenn ich ein zweites Mal falle, werde ich wieder aufstehen.
Ich werde niemals aufgeben.
Tief in meinem Herzen weiß ich, dass ich das durchstehen werde.
Also mache ich weiter und stelle mir gedanklich mein Leben nach meiner Heilung vor.
Und glaube daran.
Zeichnung von Silke, erstellt für My Free Mind
Der Sturm
Ein Sturm dauert nicht ewig, auch wenn sein starker Wind und seine Kälte uns in die Knie zwingen und diesen Anschein erwecken. Es scheint so, als hätte der Sturm das Ziel, uns zu Fall zu bringen.
Wir können dem Sturm nachgeben, indem wir uns auf den Boden legen und aufgeben.
Wir können aber auch noch einmal aufstehen und ihm ins Auge blicken. Weil wir wissen, dass er vorüberziehen wird.
Im Sturm immer wieder aufzustehen, obwohl er uns schon mehrmals zu Boden geworfen hat, lehrt uns, dass wir niemals so kräftig sein müssen, wie der Sturm selbst.
Um ihn zu besiegen, müssen wir lediglich stark genug sein, um aufzustehen.
Egal ob wir während dem Stehen vor Angst zittern.
Solange wir stehen, sind wir stark.
Die stärksten Menschen sind nicht die, die uns ihre Stärke demonstrieren, sondern jene, die Kämpfe ausstehen, ohne dass wir etwas davon merken.“
Für Angehörige
Was man zu einer Person im protrahierten Entzug nicht sagen sollte:
- Reiß dich zusammen und überwinde das endlich!
- Wieso versuchst du nichts, damit es besser wird?
- Hör auf dich selbst zu bemitleiden!
- Es ging dir doch gestern gut. Wie kann es sein, dass es dir heute wieder so schlecht geht?
- Ich glaube einfach nicht, dass ein Medikament, das dir ein Arzt verschrieben hat, so viele Probleme machen kann.
- Das Medikament kann keinen Einfluss mehr auf dich haben, du hast es doch abgesetzt!
- Vielleicht ist das alles wirklich nur psychisch…
- Du warst doch immer schon eine ängstliche Person?
- Bist du dir sicher, dass du nicht einfach depressiv bist?
- Du schaust aber gar nicht krank aus!
- Manchmal geht es mir auch so schlecht wie dir und trotzdem stehe ich auf und gehe arbeiten.
- Das dauert schon viel zu lange. Bist du sicher, dass du kein psychisches Problem hast?
- Es scheint so, als würdest du das Medikament wirklich brauchen. Du solltest es wieder nehmen!
Ein protrahiertes Entzugssyndrom ist ein komplexes und schwer begreifbares Phänomen.
Erinnere dich daran, wenn die Menschen in deiner Umgebung nicht nachvollziehen können, was du durchmachst.
Mit der Zeit wirst du gesund werden und alle Symptome, welche mit dem Absetzen zu tun haben, werden verschwinden. Dann werden die anderen auch begreifen, dass das„Absetzsyndrom“ real war und keine Folge einer psychischen Erkrankung.
Jetzt in diesem Moment solltest du von dem, was sie sagen, nicht enttäuscht sein. Sie wollen dich damit nicht verletzen, sie wissen es nur nicht besser.
Mit der Zeit wirst du gesund werden – so wie tausende Personen vor dir.
Du bist nicht allein und du bildest dir das nicht ein!
Findest du die Texte von Bloom in Wellness hilfreich und willst in Zukunft mehr Übersetzungen auf dem Blog lesen? Dann freue ich mich über Kommentare!
Vielen herzlichen Dank, liebe Moni !!!
Und an alle Mit-Betroffenen: Es stimmt wirklich, es wird besser, wenn auch ganz langsam, gebt nicht auf!
Vielen lieben Dank für diesen Beitrag von einer Betroffenen, die noch mittendrin steckt und solchen Zuspruch dringend benötigt!
Liebe Petra! Danke für deine Rückmeldung. Eines ist sicher: Du bist nicht alleine mit diesem Problem! Und: Zum Glück häufen sich die Berichte der Betroffenen über einen guten Ausgang einer solchen Situation. Ich wünsche dir weiterhin viel Kraft und Geduld! Lg, Moni
Hallo Moni,
durch das ADFD Forum bin ich auf deine Seite aufmerksam geworden. Ich finde es eine ganz tolle Sache die du hier machst. Vielen vielen Dank dafür! Es macht einem echt Mut nicht aufzugeben. ich hoffe, du kannst noch viel erreichen!
Liebe Grüße, Lana
Danke liebe Lana,
ich freue mich sehr zu hören, dass der Blog weiterhilft und gut angenommen wird! Auch wenn es momentan langsamer läuft, als ich es gerne hätte (mit dem Schreiben neuer Artikel), so möchte ich ihn noch lange weiterführen. Damit das Thema mehr Gehör findet!
Liebe Grüße, Moni
Der Beitrag (und so viele andere in diesem Blog) tut/tun mir gut!
Ich stecke noch ganz am Anfang des „Entzugs“ und war geschockt von den Aussagen der vielen Mediziner hier im Netz, die nichts von einem Absetzsyndrom hören wollen, weil es das in ihren Augen nicht gibt.
Ich bin nach 10jähriger SSRI Einnahme gerade im kalten Entzug. Weil keines der bisherigen Mittel mehr Wirkung zeigte und ich von einer Depression in die nächste rauschte, wurde in den letzten Monaten einiges an SSRIs ausprobiert. Sieben Wochen Akutklinik habe ich im Sommer auch schon gehabt.
Jetzt bekam ich also mal wieder ein neues AD (Antidepressivum) verschrieben. Und die Nebenwirkungen (Juckreiz) waren so stark, dass ich mir die Haut am ganzen Körper blutig gekratzt habe. Ich habe es nach Rücksprache mit der Therapeutin abgesetzt. Von heute auf morgen. Ich sollte ein paar Tage warten, bis ich das nächste Mittel einschleichen sollte.
Zunächst ging es mir unverändert bis nach 4 Tagen plötzlich die Tränen liefen. Ohne Grund! Und sie waren auch nicht zu stoppen. Der darauffolgende Tag war die reinste Hölle. Plötzlich und unerwartet musste ich mich übergeben. Ich hatte das Gefühl nicht mehr richtig denken zu können. Angst und Panik machten sich breit. Ich zitterte vor Kälte nur um im nächsten Moment in einer Hitzewelle zu zerfliessen. Das Gefühl von „Jetzt drehe ich durch“ war das schlimmste. Es folgten hysterische Anfälle und Apathie. Am nächsten Morgen bin ich im Bad zusammengebrochen. Ich konnte nicht mehr alleine bleiben.
Mein Mann telefonierte mit den Ärzten und ich bekam das nächste stark müde machende SSRI zum einschleichen. Die Panikattacken ließen nach. Dafür konnte ich aber nur noch schlafen. Ansonsten konnte ich gar nichts mehr. Ich war komplett ausgenockt. Mein Mann musste mich füttern. Mein Wasserglas konnte ich nicht mehr selbst halten. Beim Anziehen brauchte ich Hilfe. Laufen konnte ich nicht mehr. Entweder ich kroch auf allen vieren vom Tisch bis zum Sofa oder mein Mann musste mich stützen, damit ich die paar Schritte wanken konnte. Ich musste meinen Kopf immer irgendwo anlehnen, da ich ihn nicht mehr halten konnte. Meine über 70jährige Mutter kam, um mich zu unterstützen, da mein Mann ja auch mal wieder ins Büro musste. Zwei Tage später brachte mein Mann mich zum Psychiater. Der sagte ich soll sofort alles absetzen. Er sagte aber auch, dass es bei den SSRIs keine Absetzsymptome gibt!!!
Und für den Fall, dass ich Angst bzw. Panik bekomme, verschrieb er mir ein Benzodiazepam. Also den Teufel mit dem Beelzebub austreiben, habe ich mir dann gedacht.
Das war vor vier Tagen und seitdem habe ich weder ein AD noch ein Benzodiazepam eingenommen. Mein Zustand schwankt aber ich habe das Gefühl, die schlimmen Zeiten während des Tages werden weniger und die „klaren Augenblicke“ nehmen zu. Ein erster Lichtblick!
Ich suche im Netz nach Blogs und Foren. Ich sammel Informationen in jeder „klaren“ Minute. Im Januar werde ich in eine psychosomatische Akutklinik gehen.
Ich habe keine Ahnung was kommt, aber vielleicht musste diese Situation eintreten, damit ich von den Medikamenten wegkomme. Ich hätte mich sonst nie getraut sie abzusetzen oder auszuschleichen. Vielleicht ist das jetzt der Moment zu sehen, was ist Krankheit und was ist Nebenwirkung der Tabletten. Und – was bin ICH?
Soviel wollte ich eigentlich gar nicht schreiben und von mir preisgeben, aber es musste jetzt einfach mal raus. Ich bin froh diese Seite im Netz gefunden zu haben.