Am 18. September 2015 fand in London die „More Harm Than Good“ Konferenz statt (übersetzt: „Mehr Schaden, als Nutzen“).
Veranstaltet wurde die Konferenz vom Konsil für evidenzbasierte Psychiatrie, das Hauptthema waren iatrogene Schäden durch psychiatrische Behandlungen.
Unter iatrogen versteht man Krankheitsbilder, welche durch ärztliche Maßnahmen (in diesem Fall Medikamente) verursacht werden.
Nun sind einige Live-Aufnahmen der Konferenz kostenfrei abrufbar (englisch):
Dr. James Davies: Vortrag über Diagnosen und das DSM (= das Diagnosehandbuch)
Robert Whitaker: Vortrag über die Epidemie von Psychopharmaka & Vortrag über ADHS
Prof. Peter Gøtzsche: Vortrag über das Thema Psychopharmaka – Mehr Schaden als Nutzen in Zahlen
Prof. John Abraham: Vortrag über Psychopharmaka und Politik
Dr. Peter Breggin: Vortrag über das Psychopharmaka Absetzyndrom
Schlussworte: Ein Rezpet für die Zukunft
Eine genaue Beschreibung der Konferenzthemen (in deutscher Sprache) findet ihr im ADFD Forum, da eine Moderatorin vor Ort war und nun die Inhalte auf Deutsch zusammenfasst: Tageskonferenz zu Psychopharmaka.
Anschließend teile ich weitere, aktuelle Informationen mit euch, die allesamt bei der Online-Informationsveranstaltung „Depression Sessions“ von Gesundheitsexperten aus dem klinischen Feld vorgetragen wurden.
Die Erforschung der Antidepressiva SSRI
Dr. Daniel Kalish beschäftigt sich seit 20 Jahren mit der Erforschung der Wirkungsweisen von Psychopharmaka. Er betont, dass dies ein wichtiges Thema der Zukunft sei.
Dabei konzentriert er sich nicht ausschließlich auf Serotonin – laut seinen Forschungsergebnissen geht es viel eher darum, dass sich alle Neurotransmitter (unter anderem Dopamin, Adrenalin sowie Noradrenalin) in einem natürlichen Gleichgewicht befinden.
Aus diesem Grund sei die Behandlung einer psychischen Erkrankung sehr komplex.
96% von Serotonin befinden sich im Darm (und sind dort für Kontraktionen zuständig).
Die Einnahme von Antidepressiva/SSRI hemmt die körpereigene Serotoninbildung, weswegen sich Symptome wie Angst und Depression beim Absetzen dieser Substanzen meist massiv verschlimmern, bevor alles wieder in das natürliche Gleichgewicht zurückfindet.
Dr. Kalish glaubt nicht daran, dass ausschließlich der Stress des modernen Alltags für die steigenden Zahlen von psychischen Erkrankungen verantwortlich ist, sondern auch Umweltgifte (auch jene in Lebensmitteln) und Nährstoffmängel (zum Beispiel zu wenig Protein). Aber auch Hirnverletzungen, wie sie bei Boxern oder ehemaligen Veteranen gefunden werden.
Es ist bis heute nicht möglich, den Serotonin-Wert im Gehirn zu messen.
Effektiv seien SSRI bei 8-13% der Patienten (meist bei schweren Depressionen), bei 50-70% seien sie nur ein wenig effektiv, was eng mit dem Placeboeffekt zusammenhängen soll: Der Glaube an die eigene Heilung ist entscheidend und kann viel bewirken.
Doch auch im Fall von schweren Depressionen schneiden Psychopharmaka immer schlechter ab: Antidepressants Not Superior to Psychotherapy for Severe Depression.
Auf Forschungsseite gibt es im Moment verschiedene Theorien, weshalb SSRI wirken: Einerseits Theorien darüber, dass die Tabletten den Serotoningehalt steigern, andererseits, dass sie diesen senken oder dass sie gegen Entzündungsreaktionen im Körpers wirken.
Die Wirkungsweisen illegaler Drogen (wie Heroin oder Kokain) seien besser erforscht.
Es gibt außerdem Studien, die belegen, dass sich der Verlauf einer Depression ändern kann und zwar je nachdem, ob man während der ersten depressiven Episode SSRI genommen hat oder nicht: Wenn man keine verschrieben bekommt, würde sich der Zustand oftmals nach 6-12 Monaten von alleine bessern. Wenn man auf die Medikamente zurückgreift, sei die Wahrscheinlichkeit in Zukunft eine weitere depressive Episode zu erleiden doppelt so hoch, wie ohne Medikamente.
Beim Ausschleichen der Medikamente gibt Dr. Kalish folgende Tipps:
- Niemals abrupt absetzen.
- Zusammen mit einem Team (einem Schul- und Alternativmediziner) langsam – manchmal jahrelang – ausschleichen.
- Vitamin B6, Vitamin C und Kalzium seien in dieser Phase wichtig.
- Weitere Empfehlungen: Sport zu betreiben oder eine halbe Stunde spazieren zu gehen, zu meditieren, normale menschliche Reaktionen (wie Trauer nach einem Todesfall) zuzulassen und Zugang zu Spiritualität zu finden.
Einblick in das Pharmawesen
Gerald Roliz erzählte bei der Informationsveranstaltung „Depression Sessions“ als ehemaliger Pharmareferent von seinem Job: Er hat fünf Jahre lang in der Pharmaindustrie gearbeitet und war für den Vertrieb von Antidepressiva (SSRI) zuständig. Bei dem Vorstellungsgespräch für diese Stelle seien vor allem Verkäuferqualitäten und Schlagfertigkeit geprüft worden, bei den Schulungen wurden die negativen Aspekte der Medikamente kaum erwähnt – sein Wissen zu diesem Thema habe er sich selbst angeeignet.
Aus seinen Erfahrungen hebt er folgende Faktoren hervor, um psychisch gesund zu bleiben:
Der Blutzuckerspiegel sollte stabil bleiben, hier empfiehlt er eine mediterrane beziehungsweise Paleo- Ernährung. Zucker hingegen lässt den Blutzuckerspiegel stark schwanken. Unsere Stimmung hängt vom Blutzuckerspiegel ab: Schwankungen können einerseits zu Müdigkeit, andererseits zu Ängsten führen.
Gute Fette unterstützen die Hormon- und Neurotransmitterbildung, hier empfiehlt er vor allem Butter, Eier, Kokosöl, Avocado und Olivenöl.
Wenn man Psychopharmaka absetzen möchte, sollte man sich genügend Zeit lassen.
In seiner beruflichen Laufbahn hatte er das Gefühl, dass Ärzten manchmal gar nicht klar war, wie man diese Medikamente risikoarm absetzt. Dies kann zwar in nur einem Monat passieren, bei vielen sollte der Vorgang aber bis zu zwei Jahren dauern.
Ein halbes Jahr vor dem Absetzen sollte man seinen Körper mit Nährstoffen versorgen und eventuelle Nährstoffmängel ausgleichen, um gestärkt in die Absetzphase zu starten.
Genetisch vorbestimmt?
Dr. Ben Lynch beleuchtet das biologische Thema der Genetik. Die Ursachen einer Depression können seiner Meinung nach an Umweltgiften, Stress, der Ernährung, Schlafmangel oder den Genen liegen.
Am wichtigsten sei jedoch die Epigenetik (die Möglichkeit seine Gene zu verändern), denn diese wird von unserem Lebensstil beeinflusst.
Folsäure sei sehr wichtig für die psychische Gesundheit und dadurch der Konsum von grünem Blattgemüse. Außerdem sollte man kontrollieren, ob die B12- und B6- Werte in der Norm liegen.
Ein hoher Cholesterinspiegel (trotz gesunder Ernährung) wird häufig mit Depressionen in Zusammenhang gebracht und als genetischer Diagnosefaktor untersucht.
Zum Abschluss noch eine deutschsprachige Dokumentation, die das Thema Epigenetik aus der Sicht der Ernährung gut zusammenfasst:
Ich freue mich über Austausch in den Kommentaren!
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