Nicht jeder von uns kann die Weihnachtsfeiertage genießen.
Auf manchen lasten bedrückende Erinnerungen über einen kürzlich erfahrenen Verlust – das erste Weihnachten ohne Partner, ohne Sohn oder Tochter, ohne das geliebte Haustier oder ohne sicheren Arbeitsplatz.
Kranke (und besonders chronisch kranke) Personen fühlen oft Schuld und Scham, nicht an allen Feierlichkeiten teilnehmen zu können. Das gleiche gilt für Menschen mit einer introvertierten Persönlichkeit.
Psychische Erkrankungen lösen sich genauso wenig in Luft auf, wie Probleme, die zur Zeit in unserem Leben herrschen.
Der Druck, zu Weihnachten fröhlich sein zu müssen und niemandem das Fest verderben zu wollen, lastet schwer auf einigen Schulter.
Aus diesem Grund gibt es heute den ersten Artikel (Teil 1 von 3) zum Thema: Weihnachten trotz Krankheit genießen.
Ich habe dazu einen Artikel von Toni Bernhard übersetzt, der in Form eines persönlichen Erfahrungsberichtes beschreibt, wie man die Feiertage als chronisch kranke Person bestmöglich überstehen kann.
Die Autorin arbeitete 22 Jahre lang als Professorin für Rechtswissenschaft an einer Universität in Kalifornien – bis eine Krankheit sie im Jahr 2001 zum Aufhören zwang. Von dieser plötzlich ausgebrochenen Virusinfektion hat sie sich niemals erholt und ist seitdem chronisch krank. Ihre Krankheit sowie den Umgang mit dieser (mit buddhistischen Techniken) beschreibt sie in ihrem Buch: Das wird schon wieder? Mit der Krankheit leben lernen.
Im folgenden Originaltext wurde das amerikanische "Thanksgiving" (Erntedankfest) beschrieben, man kann den Inhalt aber genauso auf die Weihnachtsfeiertage oder den Silvesterabend umlegen.
Für chronisch kranke Personen: Die Feiertage überstehen
Für chronisch kranke Personen — also auch jene, die unter chronischen Schmerzen leiden — können die Feiertage zu einer Situation werden, die man nicht gewinnen kann.
Wenn wir an allen Aktivitäten teilnehmen, müssen wir später dafür bezahlen. Wenn wir andererseits aber nicht an den Aktivitäten teilnehmen, fühlen wir uns isoliert und riskieren, dass unser Umfeld kein Verständnis für unseren Rückzug zeigt.
Ich habe mich zuletzt mit diesem Dilemma auseinander gesetzt – „Thanksgiving“ ist der einzige winterliche Feiertag, den mein Mann und ich mit anderen Personen feiern. Wir laden alle zu einem Essen zu uns ein (ich muss dazu sagen, dass mein Mann die meiste Arbeit erledigt). Mein Sohn kommt mit seiner Familie vorbei, ebenso wie die Familie meines Mannes und einige Freunde.
Und hier fängt mein Dilemma an: Einerseits möchte ich ein Teil von diesem sozialen Zusammenkommen sein und zwar vom Anfang bis zum Ende. Doch wenn ich so vorgehe, lande ich danach für einige Tage im Bett, um wieder zu Kräften zu kommen.
Wenn ich andererseits die meiste Zeit im Schlafzimmer verbringe, fühle ich mich emotional sehr schlecht.
Meine Lösung? Ich gehe Kompromisse ein.
Hier sind vier Vorschläge, wie man die Feiertage so stressfrei wie möglich verbringen kann – ob nun zu Thanksgiving oder Silvester.
Lege dir einen Plan zurecht, bevor deine Gäste ankommen oder bevor du bei jemand anderem ankommst
Ein Plan erlaubt dir, das Tempo selbst zu bestimmen.
Ich habe herausgefunden, dass ein Thanksgivingessen/ Weihnachtsessen in vier Episoden aufgeteilt werden kann:
- Die Ankunft der Gäste – soziales Beisammen sein
- Beisammensein mit Snacks, Getränken und Vorspeisen
- Das feierliche Mittag- oder Abendessen
- Beisammen sein nach dem Essen
Ich habe mir also einen Plan erstellt, obwohl ich zugebe, dass es schwer ist, ihn immer strikt umzusetzen: Ich beschränke mich auf zwei der vier zeitlichen Perioden. Ich bin da, wenn die Gäste ankommen, ziehe mich anschließend zurück und lege mich hin, bis das Essen auf den Tisch kommt. Dann esse ich zusammen mit allen anderen. Und lege mich wieder hin.
Ist das ein zufriedenstellender Kompromiss für mich? Nicht wirklich. Aber ich gehe ihn ein, denn dann habe ich in den darauffolgenden Tagen nicht so viele Probleme.
Dein Energielevel, um an solchen Feierlichkeiten teilzunehmen, kann sich von meinem unterscheiden. Deshalb schlage ich vor, auszuprobieren, wo deine Grenzen liegen.
Es wird einfacher für dich sein, dich zurückzuziehen, wenn du dir vorher einen konkreten Plan zurecht legst (wenn du bei Freunden zu Besuch bist, gibt es hoffentlich ein separates Zimmer, in das du dich zurückziehen kannst).
Es kann auch hilfreich sein, sich vorab mit einer vertrauten Person über deinen konkreten Plan abzusprechen – einer Person, bei der du ehrlich sein kannst – denn dann kann diese Person unterstützend sagen: „Wieso legst du dich vor dem Essen nicht noch einmal kurz hin?“
Doch Vorsicht: Die Verantwortung deinen Plan einzuhalten liegt trotzdem bei dir selbst, denn dein „Helfer“ kann darauf vergessen oder mit der Zubereitung des Essens beschäftigt sein. Das ist mir in der Vergangenheit passiert.
Ich weiß nun, dass diese Selbstfürsorge in meiner eigenen Verantwortung liegt.
Senk deine Erwartungen in Bezug auf Geschenke und das Kochen
Das hat mir sehr geholfen.
Ich kaufe jetzt beispielsweise alle Geschenke online ein.
Ich vermisse die Geschäfte mit Dekorationen, Weihnachtsliedern und Kindern, die sich für den Weihnachtsmann anstellen. Aber ich vermisse die Menschenmassen nicht. Alles in allem, bin ich also froh, online einkaufen zu können.
Neuerdings habe ich meine Erwartungen noch etwas mehr gesenkt und Gutscheine gekauft. Zuerst habe ich mich dabei schlecht gefühlt – doch dann bekam ich selbst einen Amazon-Gutschein von einer Freundin und freute mich sehr darüber.
Natürlich sind Gutscheine nicht so persönlich, wie ein eingepacktes Geschenk, aber ich ersparte mir die Erfahrung, ein Geschenk zu öffnen, von dem ich weiß, dass ich es nie verwenden werde. Meinen Gutschein habe ich für eine neue Decke eingelöst – etwas, das ich mir mit meinem eigenen Geld nicht gegönnt hätte. Als ich die Decke ausgesucht hatte, schickte ich meiner Freundin den Link dazu. Sie hat sich darüber gefreut, zu sehen, dass ich mir etwas ausgesucht habe, was ich wirklich haben wollte.
Wenn es um das Kochen geht, habe ich gemerkt, dass ich den Kuchenboden weglassen kann, ohne dass es jemandem auffällt.
In den letzten zwei Jahren war es meine Aufgabe zu „Thanksgiving“ einen Kürbiskuchen zu machen. Ich war in der Vergangenheit stets stolz auf meinen Kuchenboden gewesen, hatte aber keine Kraft mehr, um ihn herzustellen. Also bat ich meinen Mann, einen fertigen Boden zu kaufen. Beim ersten Mal hatte ich ein schlechtes Gewissen dabei, aber alle aßen den Kuchen auf und niemand merkte einen Unterschied. Ich bekam viele Komplimente für meinen Kuchen.
Ich habe den Unterschied gemerkt, war aber die einzige und so entschloss ich mich dazu, die Mentalität, alles selbst schaffen zu wollen, loszulassen.
Und hier kommt der Bonus dafür, dass man seine Erwartungen in Hinblick auf Geschenke und das Kochen senkt: Es ist sehr gut möglich, dass niemand – außer uns selbst – diese hohen Erwartungen an uns hat.
Ich habe gemerkt, dass das in Bezug auf meinen ganzen Alltag der Wahrheit entspricht. Selbst wenn ich meine Erwartungen senke, sind sie noch immer höher, als die Erwartungen, die Freunde und Verwandte an mich stellen.
Such kleinen Freuden, die du feiern kannst
Ich kann Weihnachten nicht mit meinen Kindern und deren Familien verbringen, weil ich nicht an den Ort reisen kann, wo sie leben. Wo bleibt also noch Freude? Ich gebe zu, dass ich manchmal länger nach ihr suchen muss und in der Feiertagszeit gemischte Gefühle habe.
Aber wenn ich sie suche, dann finde ich sie.
Meine erste Freude besteht darin, dass ich an all die Geschichten von reisenden Personen denke – wie sie auf zugeschneiten Straßen stecken bleiben oder am Flughafen übernachten müssen, weil ihr Flug gestrichen wurde – dann sage ich zu mir selbst: „Ich bin froh, zu Hause zu sein.“
Meine zweite Freude ist die Ruhe und der Frieden, die ich an Heiligabend mit meinem Mann teile. Dadurch fühlt sich Weihnachten traditionell und harmonisch an. Ja, hin und wieder fühle ich mich leer, vor allem beim Gedanken daran, zwei Kinder in diesem Haus großgezogen zu haben. Aber die Ruhe ist auch schön.
Manchmal suchen wir uns auch ein Café, wo wir uns unterhalten und Menschen beobachten können. Ich habe eine Gemeinsamkeit an Menschen entdeckt, die (wie wir) Weihnachten nicht mit der Familie verbringen können.
Diese Verbundenheit bringt mir ebenfalls Freude.
Lass Achtsamkeit, Selbstfürsorge und Gelassenheit zu deinen treuen Begleitern werden
Wieso Achtsamkeit?
Achtsamkeit lenkt unsere Gedanken auf den gegenwärtigen Moment. Darauf, was jetzt gerade in unserem Körper und in unseren Gedanken passiert.
Je stärker man sich auf die Gegenwart konzentriert und die Verbindung zwischen Körper und Geist wahrnimmt, desto besser kann man sich um sich selbst kümmern.
Wenn es beispielsweise um eine Feierlichkeit geht, kann Achtsamkeit uns darauf hinweisen, dass unser Körper zu erschöpft ist, um weiter unter Menschen zu sein.
Es ist wichtig, wahrzunehmen, welche Gedanken auftauchen, wenn der Körper uns dieses Signal sendet.
Versuchst du dir auszureden, auf deinen Körper zu hören?
Bekommst du ein schlechtes Gewissen und versuchst länger dabei zu sein, als du kannst?
Je besser du weißt, welche Gedanken auftauchen, desto besser kannst du mit „selbst-schützende Handlungen“ beginnen.
Wieso Selbstfürsorge? Wieso keine Selbstfürsorge?
Es ist nicht leicht, sich in den Feiertagen einzuschränken und nicht die Dinge tun zu können, die die meisten Menschen tun.
Meine erste Wahl wäre es am Weihnachtsmorgen in das Haus meiner Tochter in Los Angeles zu gehen und danach nach San Diego zu fahren und mit meinem Schwiegersohn Abend zu essen. Aber es ist mir nicht möglich das zu tun.
Das sollte kein Selbstmitleid auslösen, sondern Selbstfürsorge – eine essentielle Überlebensstrategie für chronisch kranke Personen.
Wieso Gelassenheit?
Gelassenheit bezeichnet die ruhige Einsicht, dass das Leben aus Höhen und Tiefen, Erfolgen und Enttäuschungen besteht.
Das Leben ist ein konstanter Mix aus der Erfüllung unserer Träume und dem Platzen unserer Wünsche.
Wenn ich annehmen kann, dass ich die Feiertage nicht so verbringen kann, wie ich es gerne würde, kann ich mich mit Dankbarkeit auf Dingen in meinem Leben konzentrieren, die ich habe.
Das Loslassen verbindet mich auch mit anderen Menschen in der gleichen Situation und diese Verbindung hilft mir, ein Gefühl des Friedens zu empfinden.
Hast du weitere Tipps für den stressfreien Umgang mit Feiertagen und Festen?
Ich freue mich über Kommentare.
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